Veröffentlichungen

Gemeinsames Statement der Seebrücke Heidelberg und der Kampagne Solidarität statt Nationalismus:
Heidelberger Grüne einigen sich auf mögliche Umsetzung der Bezahlkarte für Geflüchtete

Der Bundestag hat die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete und Asylbewerber beschlossen. Die Bezahlkarte soll kontrollieren, wie Geflüchtete mit dem wenigen Geld, das ihnen zugestanden wird, umgehen. Sie soll unter anderem verhindern, dass Geflüchtete Geld an ihre Familienmitglieder ins Ausland überweisen. Die Stadtverwaltungen erhalten nicht nur die Kontrolle über das Aufladen der Karte, sondern auch das Entladen oder Sperren. Hier zeigt sich bereits, dass es sich bei der Bezahlkarte um ein Instrument zur Überwachung, Kontrolle und Disziplinierung von Geflüchteten handelt.

Die Heidelberger Grünen schreiben in ihrem Programm für den Kommunalwahlkampf auf Seite 16: „Wir werden eine unbürokratische und kostengünstige Bezahlkarte einführen“. Bereits 04.04.24 verabschiedeten sie einen Beschluss, mit welchem sie sich auf die Einführung und Umsetzung der Bezahlkarte in Heidelberg vorbereiten. Bei ihrer Mitgliederversammlung standen zwei uns vorliegende Anträge zur Abstimmung, denn auch der Vorstand der Grünen Jugend hatte einen eigenen Antrag gestellt, der sich kaum vom Original unterschied. Dieser wurde verworfen, und so entschieden sich die Grünen Mitglieder mehrheitlich zwischen zwei rassistischen Anträgen für den rassistischeren.

Die Bezahlkarte, die die Grünen in Heidelberg einführen würden, soll laut ihnen nicht „integrationshemmend“ und stattdessen „diskriminierungsfrei“ umgesetzt werden. Dass die Bezahlkarte eine stigmatisierende Wirkung hat und Geflüchteten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben weiter erschweren wird, scheint den Grünen Heidelberg zwar bewusst zu sein, sie halten die Karte jedoch für eine „nicht unzumutbare Härte“. Mit der Bezahlkarte wird die Kontrolle von Geflüchteten noch nahtloser und weitreichender: die Möglichkeiten zur Disziplinierung – z.B. Einschränkung der Auszahlung, Einschränkung dessen, was mit der Karte bezahlt werden kann, räumliche Einschränkung der Nutzbarkeit, etc. – sind dabei kein Nebenprodukt, sondern Ziel der Maßnahme.

In Ihren Antrag benennen die Grünen diese Disziplinierungen und sprechen sich dagegen aus, sie vollumfänglich zu nutzen. Dabei hinterfragen sie die Bezahlkarte zu keinem Zeitpunkt als grundlegend rassistisches Kontrollinstrument. In anderen Bundesländern und Gemeinden zeigt sich jetzt schon, dass die Bezahlkarte regional eingeschränkt funktionieren wird, sodass Asylbewerber*innen, die keine Arbeitserlaubnis haben und „residenzpflichtig“ sind, weiter in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt werden. Wir befürchten, dass dies früher oder später auch Geflüchtete in Heidelberg treffen könnte, wenn wir uns nicht entschlossen der Einführung der Bezahlkarte entgegenstellen. Denn einmal eingeführt, können die Details mit Neuerungen verändert werden. Es ist deshalb ein wichtiges Signal, sich jetzt laut und deutlich gegen die Bezahlkarte zu wehren, anstatt das „wie“ zu verhandeln!

Die Grünen verkaufen die Bezahlkarte darüber hinaus als Mittel zur Förderung der „gesellschaftlichen Akzeptanz“ von Geflüchteten. Dabei ist es doch die Diskussion um die Bezahlkarte selbst, die die rassistischen Vorurteile über Geflüchtete vorantreibt. Geflüchtete sollen in der Logik des Antrags ihre Entmündigung hinnehmen und ihre lückenlose Kontrolle akzeptieren, da sie sonst in der Gesellschaft keine Akzeptanz erfahren würden – diese Logik, die die Grünen Heidelberg in ihrem Antrag offenbaren, ist perfide und schiebt die Schuld an Ausgrenzung und Rassismus den Geflüchteten selbst zu. Wir sagen: Es gibt keine progressiven Argumente für die Bezahlkarte; wer für sie argumentiert, tut dies mit nationalistischen Standpunkten, betreibt damit rechte Politik und befeuert Rassismus.

Deutlich zeigt sich dieser Nationalismus in ihrem Antrag, wenn sie fordern, dass „irreguläre Migration“ – ein maßgeblich von der AfD geprägter Begriff – „gesteuert“ werden muss. Geht es um Migration, ist in der politischen Debatte mit „steuern“ fast immer „verhindern“ gemeint. Dabei berufen die Grünen sich auf den exklusiven Rechtsanspruch auf Asyl, um im Umkehrschluss gegenüber allen, die diesen angeblich nicht haben, Abschottung und Abschiebung zu legitimieren. Sie reduzieren in ihrem Antrag den Wert von Menschen auf ihre Arbeitskraft und stellen das Potential ihrer Ausbeutung in den Vordergrund.

Die Parteien auf kommunaler Ebene sind in der Lage, die Bezahlkarte zu verhindern, denn die Einführung ist den Kommunen überlassen. In einigen Städten regt sich Widerstand gegen die Einführung der Bezahlkarte, in manchen wurde sie vorerst abgelehnt. Die Möglichkeit, sich eindeutig gegen die Einführung zu stellen, muss gegenüber den Scheinargumenten und Falschaussagen immer wieder betont werden. Die Grünen konzentrieren sich stattdessen darauf, sich als diejenigen darzustellen, die die Maßnahme so menschenwürdig wie möglich umsetzen.

Die Taktik, die eigene Politik als alternativlos darzustellen, ist billig und simpel: Wenn es angeblich keine anderen Möglichkeiten gibt, muss man weniger oder keine Verantwortung für die eigenen Entscheidungen übernehmen und kann über das „wie“ diskutieren, statt über das „ob“. So schreiben die Grünen in ihrem Antrag: „Die Bezahlkarte wird kommen“. Sie stellen sich nun als diejenigen dar, die die angeblich unvermeidbare Einführung der Bezahlkarte am vermeintlich menschlichsten umsetzen wollen. Doch es gibt keine menschenwürdige Umsetzung der Bezahlkarte!

Die FDP scharrt unterdessen bereits mit den Hufen, denn eine Ausweitung der Bezahlkarte als Kontroll- und Repressionsmittel für Asylbewerber*innen könnte nur der Anfang sein: weitere marginalisierte Gruppen, beispielsweise Bürgergeldempfänger*innen oder Rentner*innen, könnten ihre staatlichen Leistungen in Zukunft auch nur noch per Bezahlkarte erhalten. Auf Bundesebene wird darüber bei CDU und FDP bereits laut nachgedacht. Dass dagegen von der SPD, die lauthals nach immer härteren Sanktionen gegen angebliche „Totalverweigerer“ schreit, ernsthafter Widerstand kommen sollte, darf bezweifelt werden. Wir werden genau beobachten ob und wie sich die anderen Parteien im Kommunalwahlkampf zu der Bezahlkarte äußern.

Die Diskussion um die Bezahlkarte zeigt einmal mehr, wie der Rechtsruck die politischen Diskussionen vom Bundestag bis in die Kommunen durchdringt – letztlich sind es die regierenden Parteien, die sich dazu entscheiden, Ausgrenzung, Sozialchauvinismus und Rassismus mit gesetzlichen Regelungen zu verankern und verstärken. Die AfD macht die Hetze, die Ampel die Gesetze.


Bericht zur Kundgebung gegen den AfD-Bürderdialog am 25.03. im Pfaffengrund

Gestern fanden sich vor dem Gesellschaftshaus Pfaffengrund über 200 Menschen ein, um gegen den „Bürgerdialog“ der AfD zu protestieren. Mit Redebeiträgen der Kampagne „Solidarität statt Nationalismus“, der Initiative Schüler:innen gegen Rechts, der Seebrücke, der Falken, der linksjugend solid und der Antifaschistischen Initiative wurden die rechte Politik der AfD, aber auch der Rechtsruck der aktuellen Regierung aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Nach den Reden begrüßten wir die Gäste des „Bürgerdialogs“ lautstark und zeigten ihnen, dass sie im Pfaffengrund nicht willkommen sind. Aus unserer Sicht war der Andrang extrem überschaubar, natürlich kann es aber sein, dass sich einige Gäste durch Hintereingänge zur Veranstaltung eingeschlichen haben. Einige Menschen, die die angeblich öffentliche Veranstaltung besuchen wollten, wurden durch AfD-Securities willkürlich daran gehindert. Kurz bevor der Bürgerdialog begann, stieg ein Gegendemonstrant der AfD buchstäblich aufs Dach. Die Polizei schirmte die Veranstaltung währenddessen weiträumig mit mehreren Einsatzfahrzeugen ab.

Wir freuen uns, dass so viele Menschen gestern ein klares Zeichen gegen die AfD gesetzt haben. Es freut uns auch, dass sich im Stadtteilverein Heidelberg-Pfaffengrund Widerstand regt: Von einem Vereinsmitglied haben wir erfahren, dass zur Jahreshauptversammlung im April ein Antrag eingebracht werden soll, mit dem die AfD dauerhaft aus dem Gesellschaftshaus verbannt werden soll.

Der gestrige Abend zeigt: Die AfD muss weiterhin mit Widerstand rechnen! Es gibt viele Menschen, die die Parolen der großen Demonstrationen umsetzen wollen und dort widersprechen, wo rechte Hetze verbreitet werden soll. Lasst uns gemeinsam an diesen Erfolg anknüpfen!


Reaktionen und Ergänzungen zu unserem offenen Brief

Anlässlich der erneuten Vermietung des Gesellschaftshauses Pfaffengrund an die AfD haben wir einen offenen Brief an den Stadtteilverein, der durch die Stadt mit der Vermietung der Vereinsräume beauftragt ist, verfasst und veröffentlicht.
Hierzu haben uns einige Rückmeldungen erreicht, die wir diskutieren wollen.
Darüber hinaus hat der Stadtteilverein ein Statement veröffentlicht, das wir ebenfalls erwähnen wollen.

Kurz nach der Veröffentlichung des offenen Briefes erreichten uns neben viel Zuspruch auch mehrere Reaktionen, die uns mitteilten, dass der Stadtteilverein die falsche Adresse für unseren offenen Brief sei. Da aufgrund eines Gemeinderatsbeschlusses festgelegt sei, welche Räumlichkeiten Parteien für politische Veranstaltungen zur Verfügung stehen und welche nicht, habe der Stadtteilverein Heidelberg-Pfaffengrund keine Möglichkeit, der AfD die Räume zu verwehren. Eine Ungleichbehandlung der AfD sei nicht möglich.
Dazu möchten wir folgendes anmerken:
Wenn der Stadtteilverein seine Räume an die AfD vermietet, sollte auch verständlich sein, dass genau das Kritik erfährt. Wir können schwer beurteilen, ob der Stadtteilverein der AfD die Räume zähneknirschend aber widerstandslos überlässt, oder ob er versucht, sich dagegen zu wehren. Aus dem Statement des Stadtteilvereins geht nach unserem Verständnis hervor, dass er sich nicht in der Position und Verantwortung sieht, sich in dieser Sache mit der AfD anzulegen.
Gleichzeitig ist es natürlich korrekt, dass der Gemeinderat für die Regelungen zur Vermietung von städtischen Räumen an Parteien zuständig ist. Einzelne Gemeinderät*innen sprechen uns gegenüber diesbezüglich von einem „Neutralitätsgebot“. Das können wir nicht nachvollziehen: Denn wie kann es sein, dass Stadträt*innen rund um die große Demonstration gegen Rechts am 20.01. von der „wehrhaften Demokratie“ sprechen, im Ernstfall aber eine notwendige Neutralität der AfD gegenüber hochhalten? Wie kann es sein, dass vonseiten der Stadt, die sich selbst theatralisch mit einer „gemeinsamen Erklärung gegen Rechtsextremismus“ schmückt, nichts gegen die Vermietung städtischer Räume an eine rechtsradikale Partei unternommen wird?
Es scheint, dass die Stadt, ihre Vertreter*innen und ihre Gremien der AfD in vielen Bereichen mit einer Gleichbehandlung weiterhin keine Angriffsfläche bieten wollen. Für viele Bürger*innen wird das auf Dauer bei all den wortgewaltigen Bekenntnissen gegen Rechts kaum nachvollziehbar sein.
Für uns führt an der entschlossenen Auseinandersetzung mit der AfD kein Weg vorbei. Wir müssen gemeinsam Möglichkeiten finden, die Raumnahme der Rechten zu verhindern. Dabei werden wir uns sicher auch hin und wieder angreifbar machen, denn die AfD wird jede Regelung und jedes demokratische Prinzip zu einem Instrument zur Durchsetzung ihrer Propaganda machen. Das  hinzunehmen oder gar zu ignorieren, können wir uns nicht leisten. Denn dort, wo die Rechten in Ruhe gelassen werden, werden sie stärker. Und die AfD ist jetzt schon viel zu stark.
Wir gehen nicht davon aus, dass die Veranstaltung der AfD am Montag durch eine Rücknahme der Vermietung verhindert wird. Deshalb rufen wir alle erneut auf, sich auf unserer Kundgebung ab 17:30 vor dem Gesellschaftshaus Pfaffengrund lautstark gegen die AfD zu stellen. Den Mitgliedern des Stadtteilvereins bieten wir weiterhin den Dialog an: Wenn ihr euch wirklich gegen die AfD wehren wollt, dann lasst uns gemeinsam Wege dafür finden!
Gemeinsam gegen rechte Hetze!


Offener Brief an den Stadtteilverein Heidelberg-Pfaffengrund 

anlässlich der erneuten Vermietung der städtischen Vereinsräume an die AfD
Am 25.03. will die AfD im Gesellschaftshaus Pfaffengrund einen Bürgerdialog abhalten und hat dafür einige hochrangige Parteifunktionäre aus Baden-Württemberg eingeladen. Dagegen organisieren wir ab 17:30 eine Kundgebung vor dem Gesellschaftshaus, denn rechte Hetze darf nicht unwidersprochen bleiben!
Darüber hinaus haben wir einen offenen Brief an den Stadtteilverein Heidelberg-Pfaffengrund verfasst, da wir nicht wollen, dass das Gesellschaftshaus zum wiederholten Mal ein Rückzugsort für rechte Hetze wird
Sehr geehrte Engagierte im Stadtteilverein Heidelberg-Pfaffengrund,
mit Bedauern müssen wir feststellen, dass die AfD am 25.03.24 ein weiteres Mal eine Veranstaltung im Gesellschaftshaus Pfaffengrund ausrichten will.
Mit den Veröffentlichungen der Recherche-Plattform „Correctiv“ Anfang des Jahres wurde einmal mehr deutlich, was die AfD für eine Partei ist: Die AfD verbreitet Rassismus, hetzt gegen Migrant*innen sowie andere an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen und ist eine Gefahr für alle, die nicht in ihr rückwärtsgewandtes Weltbild passen. In Heidelberg hat erst Ende letzten Jahres ein AfD-Politiker einen Stadtrat angegriffen, der sich wiederholt kritisch zur AfD geäußert hatte.
Die AfD will unsere Gesellschaft nach ihrem völkischem Maßstab in Deutsche und Nicht-Deutsche und in Tüchtige und Wertlose einteilen. Wir müssen und werden uns diesem Gedankengut entgegenstellen. Wir können die Vermietung der Räumlichkeiten des Stadtteilvereins an die AfD daher nicht wortlos hinnehmen:
Das Gesellschaftshaus Pfaffengrund darf kein Ort für diejenigen sein, die mit Rassismus und anderen Diskriminierungsformen gegen ein gesellschaftliches Zusammenleben ankämpfen! Das Gesellschaftshaus darf kein Schutzraum für rechte Hetze sein!
Deshalb sagen wir: Überdenken Sie Ihre Entscheidung, die Räumlichkeiten des Stadtteilvereins an die AfD zu vermieten!
Sollten Sie an Ihrer Entscheidung festhalten, werden wir lautstark und sichtbar vor dem Gesellschaftshaus protestieren, denn wir werden die Hetze der AfD nicht unwidersprochen lassen. Auch in diesem Sinne hoffen wir, dass Sie eine Entscheidung treffen, die das Gesellschaftshaus in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als Rückzugsort für Rechte zurücklässt.
Gezeichnet
Die Kampagne „Solidarität statt Nationalismus“

Rede der Kampagne Solidarität statt Nationalismus auf dem „Soli-Camp“ am 16.03.24

Vom 15.-17.03. fand auf dem Heidelberger Marktplatz das Soli-Camp statt, mit dem auf Rassismus, Abschottung, Abschiebung und die Entrechtung von Geflüchteten aufmerksam gemacht wurde. Am 16.03. beteiligten wir uns mit einer Rede an einer Kundgebung zum Thema Abschiebungen:

Ich bedanke mich im Namen der antifaschistischen Kampagne Solidarität statt Nationalismus zum einen dafür, dass auch wir heute das Wort an euch richten dürfen und zum anderen natürlich für euer Engagement. Unseren Redebeitrag möchten wir nutzen, um einige  Entwicklungen zu thematisieren, die untrennbar mit Migrationspolitik, Abschiebungen und Flucht zusammenhängen und uns dazu veranlasst haben, unsere Kampagne ins Leben zu rufen. Der sogenannte Rechtsruck in Deutschland, der medial als unabwendbar dargestellt wird, ist nichts, was erst mit der AfD begonnen hat oder nur durch die Bekämpfung der AfD aufgehalten werden könnte. Die Entwicklung, die sich jetzt zuzuspitzen scheint, ist das Ergebnis zahlreicher im Verlauf der letzten Jahrzehnte getroffener politischer Entscheidungen. Politische Entscheidungen, die von vorigen Regierungen getroffen wurden. Politische Entscheidungen, die nun auch die Ampel zu verantworten hat. Entscheidungen zugunsten benachteiligter Gesellschaftsgruppierungen wurden und werden nach wie vor blockiert oder gekippt. Rechte Politik – egal, wer sie macht – muss als solche erkannt, verurteilt und bekämpft werden. Deswegen lautet unsere Antwort, nicht nur auf eine erstarkende AfD, sondern auch auf die neoliberale Politik, die Diskriminierung und soziale Ungleichheit – Solidarität statt Nationalismus!

Trotz massiver Proteste gegen AfD und Bekenntnissen zu „nie wieder ist jetzt“ in der breiteren Gesellschaft, häufen sich Angriffe auf Geflüchtete, ihre Wohnungen und Geschäfte werden verwüstet und angezündet, Schüler*innen werden aus rassistischen Motiven von Lehrern krankenhausreif geschlagen, während von institutioneller Seite dazu geschwiegen wird. Wir haben Rechtsextreme mit Waffen bei der Polizei und der Bundeswehr, wir haben Rechtsextreme im Bundestag. Wir haben allein im letzten Jahrzehnt rechten Terror in Hanau, Halle und München erlebt. Und in den letzten Tagen brennen erne Flüchtlingsunterkünfte.

Aus Rostock-Lichtenhagen wird Berlin-Tegel, der Rest bleibt scheinbar gleich. Die mediale Hetze, die Normalisierung von rechtem Vokabular, das Herausarbeiten einer Wir-gegen-Sie-Mentalität, die Dämonsierung  von Geflüchteten zur Verschleierung politischer Fehlentscheidungen. Der Unterschied dieses Mal ist, dass kein wütender Mob zusieht und die Täter anfeuert. Der Mob beweihräuchert und inszeniert sich dieses Mal selbst. Der Mob zeigt auf die Täter, ganz empört, als seien sie selbst frei von Rassismus. Denn was ich verurteile und wogegen ich protestiere, das kann mir selbst wohl kaum innewohnen.

Von Großstadt bis Kaff wird gegen die AfD und für die Demokratie demonstriert. Und in all dem Tumult, dem ganzen Brainstorming nach dem ultra witzigen Spruch für das Demo-Schildchen, der Suche nach Edding und alten Kartons, geht beinahe unter, worum es geht. Dass die politische und gesellschaftliche Realität für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrungen eine beängstigende und gefährliche ist, und das nicht wegen einer stärker werdenden völkischen Partei, sondern durch die Politik der regierenden Parteien, durch verinnerlichten Rassismus, aber vor allem durch das Schweigen jener, die es nicht betrifft. Jene, die privilegiert genug sind, um die Auswirkungen der politischen Entscheidungen nicht zu spüren. Das Schweigen jener Menschen, die mit ihrer Stimme Veränderung und Verbesserung in Gang setzen könnten.

Wir wollen nicht die Bedeutung der Proteste untergraben oder kleinreden, doch in diesen Zeiten reicht es nicht sich plakativ auf „wir sind mehr“ zu berufen und von gemeinsamen Werten zu sprechen. Die Zeiten, in denen wir uns befinden, erfordern gelebte Solidarität. Sie erfordern, dass jeder Mensch, der das Privileg hat, die Stimme gegen Repression und Diskriminierung zu erheben, dieses Privileg nutzt, um jenen Mitgliedern unserer Gesellschaft eine Stimme zu geben, denen kein Gehör geschenkt wird. Solidarität muss praktisch werden. Doch das endet nicht bei der Demo und mit einem einfallsreichen Pappschild. Wir müssen anfangen uns im nächsten Schritt mit der gesellschaftlichen politischen Realität zu beschäftigen. Denn während wir gegen das demonstrieren, was die AfD propagiert, verabschieden die regierenden Parteien zeitgleich Gesetze, die genau das realisieren und lediglich diplomatischer formulieren. Besonders die Grünen und die SPD, die sich selbst der bürgerlichen Mitte zuordnen und in vielen Bündnissen integriert sind, übernehmen immer mehr ehemalige AfD-Forderungen auf nationaler Ebene. Sie beschließen rassistische Asylrechtsverschärfungen wie die des „GEAS“ (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) oder das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ und entrechten Geflüchtete in Deutschland mit Schikanen wie der neu eingeführten Bezahlkarte, Verwehrung von Arbeitserlaubnissen und gleichzeitigen Forderungen nach Arbeitspflicht.

Und während der Bundeskanzler noch vor wenigen Monaten auf der Titelseite des Spiegels mit „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“ zitiert wurde, solidarisierte er sich kürzlich mit den Protestierenden und dankte ihnen in einem Tweet: „Ich bin dankbar, dass Zehntausende in diesen Tagen überall in Deutschland auf die Straße gehen – gegen Rassismus, Hetze und für unsere freiheitliche Demokratie. Das macht Mut und zeigt: Wir Demokratinnen und Demokraten sind viele – viel mehr als diejenigen, die spalten wollen.“

Das sagt Scholz auf Twitter, als wäre die Gesellschaft nicht schon längst gespalten, ob in arm und reich oder durch Rassismus. Als würden Politik und Medien nicht durch Gesetze und verachtende Narrative ihren Teil beitragen. Als würde dieser nur durch die AfD in die Gesellschaft getragen werden, als ob dieses rassistische System nicht durch Abschiebungen zementiert würde.

Und diese Bundesregierung schiebt Menschen in unsichere Herkunftsländer ab, in denen ihnen Gefangenschaft, Folter oder sogar der Tod droht. Sie lässt sich erpressen von Kriegsverbrechern wie Erdogan und stuft Afghanistan als sicheres Herkunftsland ein, als wären deutsche Staatsbürger*innen nicht fluchtartig evakuiert worden. Als hätte man die nicht-deutschen Angestellten nicht feige zurückgelassen und ihrem Schicksal nach der Machtübernahme der Taliban überlassen.

Zusätzlich wurde mit der neoliberalen Krisenpolitik der letzten Jahre wurde die Last politischer Fehlentscheidungen zum Großteil auf die Arbeiter*innenklasse abgeladen. Besonders deutlich wurde dies in der Corona-Pandemie und der darauffolgenden Inflation, die die Lebenserhaltungskosten massiv erhöht hat.

Die Regierung antwortet mit Ausgrenzungsrhetorik: Geflüchtete werden stigmatisiert, sei es durch die Bezahlkarte und dem Argument „denen kannst du mit Bargeld nicht trauen!“ oder aber paradoxerweise mit Forderungen nach Arbeitspflicht und einer lächerlichen menschenunwürdigen Bezahlung, das selbst die 1€ Jobs unterbietet. Und wer abgeschoben wird oder davon bedroht ist, hätte ja auch bestimmt „Dreck am Stecken“ und es sicher darauf angelegt.

So werden genau die gegeneinander ausgespielt und aufgehetzt die eh wenig haben. Die Forderung der Bezahlkarte auch für Arbeitslose, die neuerdings erhoben wird, zeigt sehr deutlich, dass schlechte Lebensbedingungen nicht auf die Zahl von Geflüchteten im Land oder ankommenden Schutzsuchenden zurückzuführen sind. All das zielt letztlich darauf ab, die Solidarität aller Unterdrückten miteinander zu verhindern, indem Feindbilder untereinander produziert werden.

Wir vergessen nicht, dass nach den Ausschreitungen der Silvesternacht in Berlin, die Bekanntgabe der Namen gefordert wurde, in der festen Überzeugung es seien nicht-deutsche Namen.

Wir vergessen nicht, wie der deutsche Staat die Ermittlungen in Hanau geführt hat, wir vergessen nicht, dass 13 von 19 SEK-Beamten rechtsextrem waren.

Der aggressive Kurs der Herrschenden, sowohl auf wirtschaftlicher Ebene als auch zunehmend in Form von Kriegen, wird die Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse weiter verschärfen und weiter Fluchtursachen produzieren.

Weder die AfD noch die anderen bürgerlichen Parteien bieten einen Ausweg aus dieser Politik, sondern verbreiten rassistische Feindbilder und Durchhalteparolen. Die AfD gefährdet nicht die bestehenden Ausbeutungsverhältnisse, sondern will sie zementieren und gegen alle sozialen Kämpfe sichern. Den völkischen Nationalismus der AfD mit vermeintlich menschenfreundlichem Nationalismus bekämpfen zu wollen, scheint die Strategie zur Machterhaltung der regierenden Parteien zu sein. Einig sind sich beide Seiten im Ziel, das angebliche Wohl der Nation zu sichern und infolgedessen werden beide sämtliche Bewegungen, die diese Ordnung infrage stellen, bekämpfen. Wir halten die Kritik an genau diesen Zuständen für notwendig, um effektiv antifaschistisch kämpfen zu können. Dabei geht es um die Bedeutung von Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Danke, dass es euch gibt und ihr hier ein Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten und gegen Abschiebungen setzt.

Hoch die internationale Solidarität!